Life beyond our Planet?

Geschichte

Dieser historische Abriss hat besonderen Augenmerk auf philosophisch-theologische Fragen.

Teil I Von den Atomisten bis Kant

Die Beschäftigung mit der Frage nach Leben jenseits unseres Planeten ist schon sehr alt, denn bereits die griechischen Atomisten postulierten eine Vielzahl von Welten, zu denen auch mehrere Erden gehörten. Ihnen stand allerdings Aristoteles (384-322 v.Chr.) gegenüber, der in platonischer Tradition an nur einer Welt festhielt. Sein ganzes Weltbild und seine Vorstellung der Naturgesetze vertrugen sich mit einer Vielzahl von Welten nicht.

Nach Aristoteles drängen die schweren Elemente zum Zentrum des Kosmos, an dem sich die Erde befinden soll. Daher könne es auch keine zweite Erde geben, denn diese müsste sich ja zum selben Zentrum hin bewegen. Mit dieser Auffassung dominierte Aristoteles lange Zeit die Philosophie, und nachdem seine Schriften wiederentdeckt worden waren, kam es im Mittelalter insbesondere durch Thomas von Aquin (1224-1274) zu einem Verbund zwischen aristotelischer Philosophie und christlicher Theologie. Die Idee einer möglichen Vielzahl von Welten wurde an den Rand gedrängt.

Allerdings gab es von theologischer Seite Protest gegen jede Beschränkung der Allmacht Gottes. Wenn Gott nur wolle, könne er auch viele Welten schaffen, so wurde argumentiert. Im Anschluss daran konnte man sich mehrere Erden durchaus vorstellen, weil man gleichzeitig mit und gegen Aristoteles argumentierte, dass die schweren Elemente dann zu ihrem jeweiligen Zentrum strebten, was die jeweilige Erde war. Nikolaus von Cusa (1401-1464) z.B. argumentierte in diese Richtung.

Schließlich trat auch die Frage nach einer Vielzahl von Welten wieder auf die Tagesordnung, als es in der Renaissance zu einer Wiederbelebung des antiken Atomismus kam. Dessen impliziter Atheismus war natürlich im Europa des Spätmittelalters ein Problem, konnte aber z.B. von Henry More (1614-1687) dahingehend gelöst werden, dass man die Aktivität der Atome auf Gott als Erstursache zurückführte.

Mehrere Erden und viele Sonnen

Die kopernikanische Revolution machte die aristotelische Kosmologie obsolet. Da die Erde ihre Sonderstellung im Zentrum des Kosmos verlor, waren mehrere Erden leicht denkbar. Nikolaus Kopernikus (1473-1543) formulierte im Anschluss daran schon eine Art Gravitationsgesetz, als er die früher allein der Erde als Mittelpunkt des Kosmos zugeschriebene Anziehungskraft auf alle Gestirne übertrug.

Es gehörte zum Kern der neuen Art von Astrophysik, Sonne, Mond und die bis dahin bekannten Planeten nicht als perfekte Sphären unter einem unbeweglichen Fixsternhimmel zu betrachten, sondern die Gesetze, die auf der Erde galten, auch auf sie anzuwenden. Dies war Ausdruck des sog. „kopernikanischen Prinzips“ oder auch „Prinzips der Mittelmässigkeit“. Auch der Mond wurde so – zum Beispiel bei Johannes Kepler (1571-1630) – zum Gegenstand von Gedanken über Wetter und Meere und man dachte auch über die Beschaffenheit seiner Bewohner nach. Dies war naheliegend, weil er der Himmelskörper war, dessen Unregelmässigkeiten aufgrund seiner großen Nähe zur Erde am leichtesten beobachtet werden konnten.

Sternenbewohner erschienen zwar in Anwendung des Prinzips der Mittelmässigkeit und unter Betrachtung der göttlichen Allmacht als wahrscheinlich, jedoch gab es auch starke theologische Vorbehalte, und dies war zu dieser Zeit ein echter Hinderungsgrund, den Kopernikanismus für wahr zu halten. Der Reformator Philip Melanchthon (1497-1560) z.B. hielt u.a. deswegen gegen Kopernikus am Aristotelismus fest, weil er in dem Schöpfungsbericht der Bibel keine Hinweise auf weitere Universen oder Bewohner anderer Sterne fand. Mehr noch ergaben sich schwerwiegende Fragen hinsichtlich der christlichen Erlösungs- und Inkarnationslehre.

Theologische Hindernisse

Aus ähnlichen Gründen war auch Galileo Galilei (1564-1642) vorsichtig, Bewohner anderer Sterne zu postulieren, zumindest wurde er deswegen davor gewarnt, dies zu tun. Andererseits fand Tommaso Campanella (1568-1639) in seiner Verteidigung Galileis nun auch biblische Argumente für den Kopernikanismus. So spricht der biblische Schöpfungsbericht von Wassern über und unter dem Firmament, und das Wasser über dem Firmament bezog Campanella auf die angenommenen Wasservorräte auf dem Mond. Er wies auch darauf hin, dass der Kreuzestod Christi für die Sternenbewohner vielleicht gar nicht notwendig sei, da diese nicht von Adam abstammten und also gar nicht der Erbsünde verfallen seien. Ähnliches habe man zudem bereits in Hinsicht auf die Bewohner fremder Erdteile diskutiert.

Galilei selbst hielt sich aus der Diskussion heraus, indem er trotz seines Festhaltens am Kopernikanismus die Unterschiede zwischen Erde und Mond betonte. John Wilkins (1614-1672) dagegen konnte auf dem Boden, den das Wirken von Giordano Bruno (1548-1600) im protestantischen England bereitet hatte, offensiv die Frage aufwerfen: Wenn die Erde dem Kopernikanismus nach doch schlicht einer von vielen Planeten ist, warum sollte nicht einer der vielen Planeten eine zweite Erde sein?

René Descartes (1596-1650) war es, der eine Wirbeltheorie formulierte, welche dann die Annahme einer Vielheit der Sonnensysteme populär machte. Jedoch wurde von seinen Gefolgsleuten zunächst nicht angenommen, dass diese Wirbelsysteme ausser den Sonnen auch weitere Planeten enthielten. Es könnte sein, dass die Schwierigkeiten, denen sich Galilei gegenüber gesehen hatte, dazu beitrugen, diese Idee und die damit verbundene Frage nach der Bewohnung der Planeten nicht weiter zu verfolgen.

Erst mit Bernard le Bovier de Fontenelle (1657-1757), dem späteren Sekretär der französischen Akademie der Wissenschaften, und mit dem Cosmotheoros (1698), dem Alterswerk des hochangesehenen Christiaan Huygens (1629-1695) änderte sich das. Sie nahmen explizit auch die Existenz von Planeten an, welche die Sonnen in den Wirbeln umkreisten. Und mit diesen Planeten auch deren Bewohner.

Newton und die Tradition der natürlichen Theologie

1687, nur ein Jahr nach der ersten Veröffentlichung von de Fontenelle zum Thema stellte Isaac Newtons (1642-1727) Philosophiae naturalis prinicipia mathematica (1687) die Naturphilosophie auf den Kopf und damit auch die Wirbeltheorie ins wissenschaftliche Abseits. Newtons Gravitationsgesetz ließ die Frage nach einer Vielzahl von Sonnensystemen wieder offen, und die Frage der Kosmogenese wurde von Newton in seinen Werken zunächst nicht behandelt. Es war in seinen Briefen an Richard Bentley (1662-1742), dass Newton die Annahme formulierte, ohne die Hilfe einer „göttlichen Hand“ sei die Genese der Sonnensysteme mit ihren Planetenbewegungen nicht denkbar, womit er sich gegen die im Kern atheistische Hypothese der Atomisten wandte.

Man darf nicht vergessen, dass die Existenz anderer Sonnensysteme zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht beobachtet, nur postuliert werden konnte. Es mussten also metaphysische Prinzipien sein, die zu einer solchen Annahme führten. Es waren denn auch teleologische (zielgerichtete) Gründe, die Bentley dazu führten, anzunehmen, dass alle Himmelskörper zum Zweck ihrer jeweiligen Bewohner geschaffen worden waren. Dadurch wurde die Annahme bewohnter Sonnensysteme ein Teil des Unternehmens, das als natürliche Theologie bekannt geworden ist, den Nachweis von Gottes Ehre aus den Werken der Natur heraus. Und die natürliche Theologie wurde in diesen Tagen immer unabhängiger von dem Korsett der Interpretation der Bibel.

Ein berühmtes Werk in dieser Tradition wurde William Derhams (1657-1735) vielgelesene Astro-Theology (1715), welches jedes astronomische Detail als Beweis für die Gottheit benutzte. Derham war es auch, der auf Newton'scher Basis die Annahme einer Vielzahl von Sonnensystemen als drittes, „neues System“ nach dem aristotelischem  und dem kopernikanischen Ansatz popularisierte. Die Sonnen waren dazu da, ihren eigenen bewohnten Planeten Licht und Wärme zu spenden.

Von Wright zu Kant und Laplace

Im Gegensatz zu den Werken über Natürliche Theologie hatte das Vorhaben des Astronomen Thomas Wright (1711-1786) ein eher wissenschaftliches Ziel, auch wenn die Religion darin natürlich auch eine Rolle spielte. Er folgte der Tradition der Abhandlungen über eine Vielzahl von Welten, wenn er die „Fixsterne“ als Sonnen mit sie umgebenden Planetensystemen ansah. Auch die Milchstrasse, postulierte er, bestehe aus solchen Sonnensystemen, die sich wiederum um ein gemeinsames Zentrum bewegten. Die Newton'sche Mechanik spielte in seinen Erörterungen durchweg eine wichtige Rolle, auch wenn dieses Zentrum bei ihm noch göttlichen Charakter hatte.

Die zuvor sehr verbreitete Idee, alles im All sei im Wesentlichen zum Besten des Menschen und seiner Erde gemacht, nannte er blasphemisch, denn sie nähere die göttliche Natur zu sehr an die menschliche an. Stattdessen schloss er sich der natürlichen Theologie an, wenn sie den Zweck der Vielzahl der Sonnensysteme in dem Nutzen für die jeweiligen Bewohner der Planeten ansah.

Es war Immanuel Kant (1724-1804), der in Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels (1755) Wrights kosmologische Gedanken aufnahm und eine eigene Kosmogenese hinzufügte. Er versuchte einen Ausgleich zwischen Verteidigern des Glaubens und Naturalisten zu finden, indem er ganz im Sinne von Leibniz Gottes Handeln auf die Aufstellung der Naturgesetze bezog und beschränkte. Auch Kant nahm ein Zentrum an, um das die Sonnensysteme kreisten, dies war bei ihm jedoch natürlicher Art, so dass eine Vielzahl von Galaxien vorstellbar war. Ganz in der Tradition, die sich vor ihm entwickelte hatte, nahm auch Kant Planetenbewohner an, ja er widmete den ganzen Anhang seiner Allgemeinen Naturgeschichte diesem Gedanken. Da er jedoch eine grobe Idee von einer die Entwicklung des Kosmos begleitenden Entwicklung des Lebens hatte, konnte er sich auch vorstellen, dass die Planeten nur eine gewisse Zeit ihres Bestehens Lebens beheimateten.

Pierre Simon de Laplace (1749-1827) schließlich postulierte wie bereits auch Kant, dass die Planeten aus stellaren Nebeln geboren wurden; er war anders als Kant aber auch Astronom und Mathematiker und konnte dies wissenschaftlich besser begründen. Auch er hielt jedoch angesichts der denkbaren Vielzahl an Sonnensystemen ausserirdische Intelligenzen für „sehr wahrscheinlich“.

Wir haben gesehen, welch zentrale Rolle die Frage einer Vielzahl von Welten samt ihrer möglichen Bewohner in der Entwicklung der Wissenschaft gespielt hat. In dem folgenden Jahrhundert sollte sie noch bedeutsamer werden.

Fortsetzung folgt.

Andreas Losch

Literatur

A.1. Ein ganz kurzer deutscher Gesamtabriss findet sich in Kap. 2 von

  • Armin Kreiner, Jesus, Ufos, Aliens, Freiburg: Herder 2011 (Rezension des Buches hier)

A.2. Einen gut lesbaren Durchgang durch das Thema bei Philosophen verschiedener Jahrhunderte bietet

  • Karim Akerma, Ausserirdische. Einleitung in die Philosophie, Münster: Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat 2002

B. Überblick von der Antike bis Anfang des 20. Jh.

  • Steven J. Dick, Plurality of Worlds. The Extraterrestrial Life Debate from Democritus to Kant, Cambridge: Cambridge University Press 1982
  • Michael Crowe, The Extraterrestrial Life Debate, 1750-1900, Mineola/NY: Dover Publications 1999

B.1. Zum Quellenstudium:

  • Michael Crowe (Hg.), The Extraterrestrial Life Debate. Antiquity to 1915: A Source Book, Notre Dame/Indiana: University of Notre Dame Press 2008

B.2. Diese Periode kurzgefasst in:

  • Michael Crowe and Matthew Dowd, “The Extraterrestrial Life Debate from Antiquity to 1900”, in: Douglas Vakoch (Hg.), Astrobiology, History and Society. Life Beyond Earth and the Impact of Discovery, Heidelberg: Springer 2013, S. 3-56

C. Zum 20. Jahrhundert:

  • Steven J. Dick, The Biological Universe. The twentieth-century extraterrestrial life debate and the limits of science, Cambridge:Cambridge University Press 1996
  • Steven J. Dick, Life on Other Worlds. The 20th-Century Extraterrestrial Life Debate, Cambridge: Cambridge University Press 1998 (Kurzfassung und Update von "The Biological Universe")