Life beyond our Planet?

Das Projekt

Unendliche Weiten

„Der Weltraum – unendliche Weiten. Wir befinden uns in einer fernen Zukunft. Dies sind die Abenteuer des neuen Raumschiffs Enterprise, das viele Lichtjahre von der Erde entfernt unterwegs ist, um fremde Welten zu entdecken, unbekannte Lebensformen und neue Zivilisationen.“

Die beliebte Fernsehserie „Raumschiff Enterprise“ hat seit den 60er Jahren die Phantasie zahlloser Zuschauerinnen und Zuschauer beflügelt. Aber sie ist eben doch nur Fiktion, Science Fiction, und nicht Science, also Wissenschaft. Oder sollte doch etwas dran sein an der Vorstellung von „unbekannten Lebensformen und neuen Zivilisationen“ im All? Sind sich Science und Science Fiction vielleicht näher, als man gemeinhin annimmt?

 

Was ist dran?

Tatsächlich halten immer mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausserirdisches Leben für wahrscheinlich. Als das Weltraumteleskop Hubble 1990 startete, kannten wir keine Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems. Erst 1995 konnten die Schweizer Mayor und Queloz den ersten „Exo“planeten, der einen sonnenähnlichen Stern umkreist, identifizieren. Inzwischen sind viele hundert bekannt. Man geht mittlerweile davon aus, dass die meisten fernen Sonnen von Planeten umgeben sind. Damit wird es wahrscheinlicher, dass es auch ausserhalb unseres Sonnensystems Planeten gibt, die sich in der „habitablen Zone“ befinden – also den „richtigen“ Abstand von ihrer Sonne haben, um potentiell bewohnbar zu sein – , und deren Komposition und Atmosphäre Leben ermöglicht.

Dennoch: Leben anderswo im All ist nach wie vor kein bewiesenes Faktum, sondern eine Hypothese, die in Astrophysik und Biologie umstritten ist. Befürworterinnen argumentieren mit den schier endlosen Weiten des Alls und der unermesslichen Zahl an Planeten. Skeptiker verweisen auf die aussergewöhnlichen Umstände, die zur Entstehung von Leben notwendig sind. Manche wiederum betonen die enorme Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit bestimmter einfacher Lebensformen und meinen, dass solches Leben durchaus verbreitet sein kann, bleiben aber bezüglich komplexerer Lebensformen zurückhaltend.

Das „Center for Space and Habitability“ (CSH) der Universität Bern bringt Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen aus der ganzen Welt zusammen, um Exoplaneten und die Möglichkeiten ausserirdischen Lebens zu untersuchen und dabei aus interdisziplinären Vernetzungen neue Forschungsperspektiven zu entwickeln. Im Bewusstsein, dass das Thema begriffliche Probleme und fundamentale Fragen des menschlichen Selbstverständnisses aufwirft, hat man darüber hinaus die Literaturwissenschaften, die Philosophie und die Theologie miteinbezogen. Aber warum ist die Suche nach ausserirdischem Leben auch für diese Disziplinen interessant?

Nordamerikanebel aufgenommen vom Stellarium Gornergrat in Zermatt, Schweiz

Die Vorstellung anderer Welten in der Literatur

Wie stellen wir uns den gewaltigen leeren Raum vor, den die Wissenschaft noch zu füllen hat? 1937 schrieb Science Fiction Schriftsteller und Philosoph Olaf Stapledon: “Die schweigende Dunkelheit, das gestaltlose Unbekannte waren ehrfurchtgebietender als alle Schrecken die sich die Vorstellungskraft ausgedacht hatte.” (Der Sternenmacher)

Science Fiction besetzt einen Platz zwischen Wissen und Möglichkeit. Als literarisches Vorhaben reagiert es auf das menschliche Bedürfnis, Antworten auf philosophische und theologische Fragen zu finden, die die Naturwissenschaften aufgebracht haben, aber nicht beantworten können. Welche mythischen und schriftstellerischen Formen benutzt die Literatur nun aber, um den Raum jenseits unseres Sonnensystems zu bevölkern und zu entwerfen? Literatur gestaltet ihren Vorstellungsraum, um die Fragen von Philosophie und Theologie zu erforschen, doch sie hat auch ihre eigenen Fragen: Welche Rolle spielen Fiktion und Einbildungskraft in unseren ersten Schritten, die über unser Sonnensystem hinausgehen? Wie sehr kann uns die literarische Vorstellung auf das vorbereiten, was wir dort finden könnten? Dieses Projekt untersucht daher die Möglichkeiten, durch die ein literarischer Ansatz zu der Aufgabe der Erforschung des Weltraumes beitragen kann.

Die Suche nach dem Unbekannten als philosophisches Problem

Seit ihren Ursprüngen thematisiert die Philosophie das menschliche Wissen. Dabei stellt sie Wissensansprüche, die im Alltag oder in den Wissenschaften erhoben werden, kritisch infrage und versucht, unser Wissen auf bessere Grundlagen zu stellen. Die Suche nach ausserirdischem Leben ist aus dieser Perspektive der Versuch, unser Wissen zu erweitern. Die entscheidende philosophische Frage lautet dann, ob und wie dieser Versuch gelingen kann.

Die Suche nach ausserirdischem Leben ist mit einem Problem konfrontiert, das bereits in Platons Dialog „Menon“ diskutiert wird: Wir können einen uns unbekannten Gegenstand nur dann suchen, wenn uns klar ist, was es heisst, ihn zu finden. Wir müssen also entscheiden können, ob ein Gegenstand der gesuchte ist, und dafür die wichtigsten Eigenschaften des gesuchten Gegenstands kennen.

Die Suche nach ausserirdischem Leben kann daher nur dann gelingen, wenn wir  wissen, was Leben ist. Nun kennen wir natürlich die Lebensformen auf unserem Planeten. Aber dürfen wir das, was wir über das Leben hier wissen, auf das gesamte Universum übertragen? Oder wäre das provinziell? Was ist überhaupt Leben? Wie kann es auch über ferne Distanzen nachgewiesen werden? Am CSH versuchen wir in interdisziplinärer Forschung, diese philosophischen Fragen zu beantworten.

Religion als Relikt oder als Orientierung?

Was würde es für die Theologie bedeuten, wenn man ausserirdisches Leben entdecken würde – oder wenn sich, im Gegenteil, herausstellte, dass wir allein im Kosmos sind? Neu sind diese Fragen nicht. Schon seit dem Mittelalter wird darüber diskutiert, ob ein unendlicher, allmächtiger Gott denn wirklich bloss eine einzige belebte Welt geschaffen haben könne. Nikolaus von Kues (1401-1464) gehörte zu denen, die eine Viele-Welten-Theorie vertraten, und Giordano Bruno (1548-1600) glaubte, das Universum sei voller Planeten, die mit Leben bevölkert seien. Würde sich damit aber das Christentum nicht als Relikt eines anthropozentrischen und geozentrischen Weltbilds erweisen? Oder wäre es möglich, die kosmische Dimension des Christusgeschehens neu zu durchdenken? Und kann die Theologie dazu beitragen, mit der Unendlichkeit der Welt und der Mannigfaltigkeit des Lebens umzugehen? 

Wenn die Menschheit nach den Sternen greift, ergeben sich auch neue Orientierungsfragen. Darf man irdisches Leben auf den Mars exportieren? Und welchen Wert hat ausserirdisches Leben, wenn es tatsächlich existiert? Von welchen gesellschaftlichen Kräften könnte eine menschliche Expansion in den Weltraum betrieben werden, und mit welchen Absichten?

 

Bei allen Fragen ist nahezu sicher: Wir könnten ausserirdischen Zivilisationen, auch wenn sie existieren sollten, kaum direkt begegnen. Nach unserem Wissen von den Gesetzen der Physik sind die Distanzen, mit denen wir zu tun hätten, nicht überwindbar. Der „Warpantrieb“, der in „Raumschiff Enterprise“ weite Reisen in Überlichtgeschwindigkeit ermöglicht, gehört leider ins Reich der Phantasie.